Hundehaltung und Hundeverhalten
Ein zweiter Hund: Tipps zur Mehrhundehaltung
Es kommt immer häufiger vor, dass sich Hundebesitzer dazu entschließen, einen zweiten Hund anzuschaffen. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Manche wünschen sich einfach einen dauerhaften Spielgefährten für ihren vierbeinigen Liebling. Andere möchten aus Tierschutzgründen einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause geben. Die Haltung mehrerer Hunde kann eine faszinierende und erfüllende Aufgabe sein. Vorausgesetzt, man ist gut auf den Neuzugang vorbereitet. Einige Tipps, wie aus zwei Hunden ein stimmiges, kleines Rudel wird, gibt Thomas Baumann, Autor des Buches „Mehrhundehaltung – gemeinsam zu mehr Harmonie“.
Voraussetzungen für die Mehrhundehaltung
„Es ist sinnvoll, sich zunächst intensiv mit einem Hund zu beschäftigen, bevor ein zweiter hinzukommt. Halter müssen eine individuelle Beziehung zu jedem einzelnen Hund aufbauen können, daher sollten nicht mehrere Hunde zur gleichen Zeit angeschafft werden“, empfiehlt Baumann. Jeder Hund ist anders, hat unterschiedliche Stärken und Schwächen und die Erziehung erfordert ausreichend Zuwendung, Geduld und vor allem Zeit. Ein schöner Grundsatz besagt: Man sollte nur so viele Hunde halten, wie Hände zum Streicheln da sind, andernfalls leidet der Sozialkontakt. Auch liebt nicht jeder Hund von Natur aus das „Leben im Rudel“. Es gibt äußerst besitzerbezogene Exemplare, die in einem Artgenossen eher einen Konkurrenten, denn einen Spielgefährten sehen.
Die Mehrhundehaltung ist freilich auch eine Frage des Platzes. Jeder Hund braucht seinen eigenen Liegebereich und die Möglichkeit, dem anderen Hund aus dem Weg zu gehen, sodass seine Individualdistanz gewahrt bleibt. In der Verhaltensbiologie beschreibt die Individualdistanz den Abstand zu einem anderen Wesen (Hund oder Mensch), die ein Hund gerade duldet, ohne darauf zu reagieren (sei es mit Flucht, Aggression oder Ausweichen). Es sollte also ausreichend Platz für beide Hunde vorhanden sein, sowohl im Wohnbereich als auch beim Spaziergang.
Auch die finanziellen Voraussetzungen müssen bei einem Zweit-Hund gegeben sein. Die Futterkosten verdoppeln sich, ebenso die Ausgaben für tierärztliche Behandlungen, Haftpflichtversicherung, Zubehör oder die Ausbildung der Hunde. Erheblich teurer wird es in der Regel auch bei der Hundesteuer, die in vielen Gemeinden für den Zweit-Hund deutlich höher ist, als für den Erst-Hund.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Suche nach einem geeigneten Zweit-Hund-Kandidaten beginnen.
Welcher Hund passt
Damit Hunde harmonieren, sind nicht die gleiche Rasse oder Größe wichtig. „Maßgeblich ist, dass die Tiere charakterlich miteinander kompatibel sind“, erklärt Baumann weiter. So können sich ein mutiger und ein eher ängstlicher Hund gut ergänzen, während ein gemütlicher Geselle mit einem Energiebündel schnell überfordert sein kann.
Oftmals entscheiden sich Besitzer älterer Hunde dafür, zusätzlich einen Welpen aufzunehmen. Die Überlegung dahinter „Das wird den Senior jung halten – und uns den Abschied erleichtern.“ Ein junger Hund kann tatsächlich ein willkommener Spielgefährte für ein älteres Tier sein. Es ist aber auch möglich, dass ein Hund, dessen Kräfte langsam schwinden, mit einem ungestümen Welpen schlichtweg überfordert ist und sich aufs Abstellgleis geschoben fühlt. Das friedliche und eingespielte Miteinander kann damit gehörig ins Straucheln kommen. Wer sich dennoch dafür entscheidet, muss dem älteren Tier Vorrechte einräumen und dafür sorgen, dass der Hundesenior keinen Statusverlust durch den zweiten Hund erleidet.
Das erste Zusammentreffen
Ist der passende Zweit-Hund-Kandidat gefunden, geht es erst ans Kennenlernen. Ein neuer Hund sollte nicht einfach von einem Tag auf den anderen mit ins Territorium des bereits vorhandenen Hundes einziehen. Verantwortungsbewusste Züchter und auch Tierheime bieten immer die Möglichkeit, dass die Tiere mehrmals besucht werden können. „Halter sollten den Vierbeinern Zeit lassen, sich gegenseitig kennenzulernen. Mehrere Treffen auf neutralem Grund sind sinnvoll.“ Zunächst vorsichtiges Beschnuppern an der lockeren Leine, bevor es zu einem gemeinsamen Freilauf kommt, ist zu empfehlen. „Dann heißt es, das Verhalten der Vierbeiner genau zu beobachten: Ignorieren sich die Hunde die ganze Zeit über, ist dies eher untypisch und damit ein vergleichsweise schlechtes Zeichen. Beschäftigen sie sich miteinander, dazu kann auch eine kurze Rauferei gehören, stehen die Chancen gut, dass aus den Individuen ein Rudel wird“, gibt der Experte mit auf den Weg.
Das Mensch-Hunde-Rudel
Bis aus den Individuen ein harmonisches, kleines "Rudel" wird, bedarf es einiger Zeit und Energie, um beiden Tieren die richtige Führung angedeihen zu lassen. Das „Rudel“ muss erst zusammenwachsen. Eines sollte aber von Anfang an klar sein: Wer in der Mensch-Hund-Beziehung den Ton angibt, nämlich Sie als Hundehalter. Die Hunde machen indessen unter sich selbst aus, wer von ihnen der Ranghöhere ist. Zu einer klaren Linie in der Hundeerziehung gehört, dies zu beobachten und zu respektieren. Welcher Hund geht zuerst durch die Tür? Wer geht ein paar Schritte voraus? Diese Hunde-Hierarchie gilt es zu anzuerkennen – Gleichberechtigung gibt es bei den Wolfsnachfahren nun mal nicht. Entsprechend bekommt der Alpha-Hund sein Futter zuerst, wird als erster begrüßt und als erster zum Gassi-Gehen angeleint.
Ist die Rangordnung klar, muss sich der Ranghöhere nicht weiter beweisen. Wird die Rudelhierarchie nicht akzeptiert, ist das ein Signal für die Hunde, sich womöglich durch dauernde Kämpfe immer wieder miteinander zu messen. Das führt zu ständigen Konflikten.
Zwei Hunde erziehen
Beim Aufbau eines kleinen Hunderudels ist sehr viel Aufmerksamkeit gefragt. Beide Hunde jederzeit im Blick zu haben, ist eine spannende Herausforderung. Die Unterstützung durch einen Experten kann dabei sinnvoll und hilfreich sein. So können Hundehalter gemeinsam mit einem Hundetrainer viel über die Körpersprache ihrer Tiere lernen und Situationen sicherer einschätzen. Auch der souveräne Umgang mit zwei Hunden sollte trainiert werden. Dazu kann beispielsweise der gemeinsame Spaziergang mit der Doppel-Leine gehören oder das zuverlässige Abrufen jedes einzelnen Tieres oder auch beider Hunde zeitgleich.
Wenn man Geduld, Ausdauer und etwas Hundeverstand mitbringt, kann das Leben mit mehreren Hunden sehr viel Freude bereiten. Die Hunde gewinnen nicht nur einen Hunde-Freund dazu, sondern gewinnen auch an Lebensqualität. Und auch für Hundehalter kann das Leben mit mehreren Hunden eine echte Bereicherung sein: „Menschen bekommen ein besseres Gefühl für die Tiere, weil sie viel mehr über Interaktion und Kommunikation lernen können, als bei der Einzelhund-Variante. Das macht den besonderen Reiz der Mehrhundehaltung aus“, so Baumann.
Informationen: IVH, Fressnapf
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